Die eine Seite weiß nicht, was die andere tut

Bronze, 2001, 197 cm

Das Bibelwort: „Die rechte Hand soll nicht wissen, was die linke tut“ – Matth. 6, 3 – wurde in allen Jahrhunderten quasi als Aufforderung verstanden. Man hat damit die Möglichkeit, mehr oder minder sträfliche Taten für sich zu legitimieren. Dieser Brauch wird immer aktuell bleiben. Auch Politiker, die doch eine Vorbildfunktion haben müssten, riskieren dabei ihre Karriere und beweisen, dass der Mensch unbelehrbar ist.

Der Bildhauer Erich Sauer drückt das Thema „Die eine Seite weiss nicht, was die andere tut“ in einer seiner Plastiken so aus. Da steht eine wunderbare
Bronzeskulptur, etwa 2 Meter hoch und auf den ersten Blick ganz eindeutig. Doch je länger man diese Figur betrachtet, erkennt man die Botschaft des Künstlers. Er selbst äussert sich so: „Mein Gedanke war, dass der Mensch, wenn er auch mit sich in Harmonie lebt, durch Einflüsse von aussen sich verändern kann und etwas tut, was er eigentlich gar nicht will.“ Seien wir doch mal ehrlich – haben wir nicht auch schon ungewollt Dinge getan, die nicht zu uns passten? In der Plastik Erich Sauers, die sich aber in ihrem oberen Teil wendet, liegt der Zwiespalt. Bedeutet diese Drehung, das Falsche bewusst zu tun und sich einzureden, es wäre nicht so? Ist die gestörte Harmonie Charakterschwäche, Disziplinlosigkeit, Dummheit, was auch immer die Ursachen sein
können? Auch in diesem Werk zeigt sich die Mahnung Erich Sauers. Man muss sie erkennen – mehr denn je in unserer chaotischen Welt.

Elsbeth Janda
Schauspielerin
Heidelberg